Die Stadt umfasst sowohl gebaute als auch gelebte Faktoren: Straßen und Gebäude gehören ebenso zu einer Stadt wie die individuellen und gemeinschaftlichen Raumkonstitutionen ihrer Bewohner:innen und Nutzer:innen. Diese formen die Stadt tagtäglich durch ihr Handeln, das wiederum durch gebaute und strukturelle Bedingungen beeinflusst wird. Eine Beteiligung an Veränderungsprozessen der Stadt bezieht sich daher sowohl auf bauliche und strukturelle Faktoren als auch auf das urbane, das städtische Leben – und damit letztlich auf jede:n Einzelne:n: unsere sozialen Beziehungen, unseren Lebensstil, die Frage, wer wir eigentlich sind und in welcher Gesellschaft wir leben wollen.
Bürgerbeteiligung an Veränderungsprozessen der Stadt beinhaltet die Möglichkeit, das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten und mit diesen Vorstellungen in einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess einzutreten – denn in Städten lebt man als eine:r unter Vielen. Wenn wir das beachten, dann realisieren wir die Relevanz der Beteiligung von Bürger:innen: Es geht nicht um das Antlitz der Stadt oder einzelne befristete Beteiligungen an Bauvorhaben, sondern um Machtverhältnisse und Herrschaftsstrukturen, um Ein- und Ausschlüsse, um Systeme und unsere Fähigkeit, Vielfalt auszuhalten.
Möchte man tatsächlich einer breiten Bürgerschaft die Möglichkeit geben, ihre Lebensräume aktiv mitzugestalten, so gilt es, Bürgerbeteiligung grundsätzlich neu zu denken. Veränderungen der Stadt müssen einen Aushandlungsprozess ermöglichen, an dem Bürger:innen teilhaben können. Dies gelingt erst, wenn Veränderungen und ihre Planung im Stadtraum wahrnehmbar und verhandelbar werden. Nur dann steht nicht die bloße „Befriedung“ und die Optimierung einer Stadt als Ware im Vordergrund, sondern ein radikales Verständnis urbaner Demokratie. Dann geht es nicht um schnelle Lösungen und Ergebnisse, sondern um die Stadt in ihrer Vielfalt, Widersprüchlichkeit und Komplexität. Bürgerbeteiligung an Veränderungsprozessen der Stadt bedeutet in diesem Sinne, Diskursräume zu schaffen und Widersprüche zuzulassen, um eine vielfältige Stadt zu ermöglichen.
Dieser Text von Leonie Wendel (Vorstandsmitglied des Planwerkstadt Düsseldorf e.V.) wurde in dem Buch „Glossar Urbane Praxis: Auf dem Weg zu einem Manifest“ der neuen Gesellschaft für bildende Kunst e.V. veröffentlicht. (https://www.urbanepraxis.berlin/glossar-urbane-praxis/)